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Vonkeman, Johan

BIOGRAFIE

Ich bin Johan Vonkeman und ich bin 1927 im Bisschopsweg in Amersfoort geboren. Ich war fast 13 als der Krieg ausbrach. Die letzten Monate des Krieges (September 1944 bis Mai 1945) war ich untergetaucht. Ich saß bei alten Leuten im Haus und die Moffen (Schimpfwort für Deutsche) sind dort einmal drinnen gewesen. Sie schauten sich um, dachten wahrscheinlich: Oh zwei alte Menschen, hier ist nichts zu holen und dann waren sie wieder weg. Inzwischen lag ich oben im Speicher, irgendwo unter Papieren versteckt. Bei uns Zuhause gab es nie eine Durchsuchung, in der Zimmerfabrik meines Opas auch nicht, aber in der Westerkerk schon. Die Frage bleibt immer, warum bei dem einen wohl und bei dem anderen nicht, du bekommst nie eine Antwort darauf.

Mein Vater war Freiwilliger bei der Feuerwehr, uniformiert, und er war Mitglied des Transportes vom Roten Kreuz, uniformiert. Durch seine Arbeit für das Rote Kreuz hatte er von den Deutschen eine Fahrerlaubnis, er hatte Telefon von der Feuerwehr und während des ganzen Krieges hatte er eine Genehmigung, um als Feuerwehrmann und als Roter Kreuzmann zu arbeiten. Dank der Genehmigungen konnte er eine gewaltige Doppelrolle spielen. Wenn er in Feuerehruniform in die Stadt ging, spielte er Anti-Deutsche Streiche und das Fahrrad vom Roten Kreuz nutzte er für vielerlei Dinge. So ist er so langsam aber sicher den Widerstand hinein gerollt und der ist zu einem weit verzweigten Netzwerk herangewachsen. Dabei hatte er den Vorteil, dass er in der Zimmermannfabrik von meinem Opa arbeitete. Die war in miteinander verbundenen alten Gebäuden in der Innenstadt niedergelassen, einem alten Stadtbauernhof mit allerlei Ecken und Löchern und unten so ein Keller mit Gewölbe und dahinter noch so ein Keller. Es gab überall Fluchtwege, falls es Unruhen gab.

Wenn je eine Durchsuchung stattgefunden hätte, dann hätten sie viel gefunden: Munition, Waffen, Schmugglerwaren und illegale Presse, u.a. De Trouw. Der Keller der Zimmermannfabrik war ein Waffenlager. Dort lagen u.a. Stenguns und Revolver, von Abwürfen der alliierten Flugzeuge in Hoogland. Wenn sie schnell dabei waren, waren die Waffen weg bevor die Deutschen das überhaupt bemerkten. Sie wurden auf verschiedenen Stellen in Amersfoort versteckt, u.a. in der Zimmermannfabrik. Ich wusste im Krieg nur, dass Sachen versteckt waren, aber ich wusste nicht wo und auch nicht was. Ich selbst bin unter anderem mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Das war ein Fahrrad wegbringen und mit einem anderen Fahrrad zurückkommen. Es kann nicht anders als, dass in den Rahmen der Räder das ein oder andere versteckt war. Aber man fragte nicht danach, es wurden auch keinen Namen genannt. Dadurch konnte man sich auch nicht versprechen.

Fotos – von oben nach unten: Johan 1941 – Schreinerei de Vlijt mit Vater Vonkeman ganz rechts –  Fahrräder mit Genehmigung für die Fabrik

Vonkeman, Johan, geboren in 1927 erzählt eine Geschichte:

Nicht lange nach der Evakuierung gingen wir wieder zurück nach Amersfoort, nach Hause. Fahrräder waren weg, aber sonst nichts, im Haus war alles durcheinander. Eine Woche später gingen wir einfach wieder zur Schule. Der Krieg lag natürlich in der Luft. Es wurde bereits ab Juni 1939, noch bevor die Deutschen in Polen einfielen, bei uns in der Gegend mit Sand gefahren. Der Liniendeich wurde verstärkt, Bunker wurden gebaut und kurz bei unserem Haus, in der Stadt wurden Schützengräben gemacht. Schützengräben im Herzen der Stadt. … dann weiß du einfach, dass es nicht gut geht. Alles war auf den Osten gerichtet, also du wusstest was geschehen konnte. Das knisternde Feuer der Flugabwehr morgens mit gelegentlichen Strahljägern in der Luft, überraschte uns im Mai 1940 auch nicht mehr.

Vonkeman, Johan, geboren in 1927 erzählt eine Geschichte:

Wir hatten Familie außerhalb der Stadt wohnen und dort holten wir regelmäßig Essen. Ich war Zuhause der Älteste und ich hatte ein Fahrrad, also ging ich auf „Schmuggelreise“ und ja, ich habe alles gefüttert sogar die Kaninchen, für die ich Gras holte. Dadurch hatte ich wenig Zeit für Hausaufgaben und somit musste ich auf der Handelsschule ein Jahr wiederholen. Die Schule wurde 1944 von den Deutschen gefördert und damals haben wir in einem anderen Gebäude das Examen gemacht. Danach bin ich zur HBS am Thorbeckeplein gegangen. Ich war noch nicht auf der Schule und schon musste ich untertauchen. Das war im September 1944. Die Situation wurde eng und es schien als ob die Deutschen bestimmten Leuten, worunter mein Vater, auf der Spur waren. Wir haben die Stadt mit der ganzen Familie verlassen.

Glücklicherweise ist nichts geschehen und wir sind auch wieder zurückgekommen, aber damals bin ich untergetaucht. Meine zwei Brüder, die wesentlich jünger waren, sind danach mit allerlei Dingen durch die Stadt gefahren. Sie brachten beispielsweise mit ihrem Traktor Schmuggelfleisch rum. Diese Dinge haben sie getan: Mit Ihrem Traktor durch die Stadt, ein bisschen Gepäck darauf und kein Hahn der danach krähte. Im Mai 1945 tauchte ich wieder auf und einen Monat später gingen wir wieder zur Schule als wäre nichts gewesen! Als ob nichts gewesen wäre …

Vonkeman, Johan, geboren in 1927 erzählt eine Geschichte:

Wir hatten einen jüdischen Jungen in der Klasse, Jacques Kropveld. Er wohnte am Varkensmarkt und sein Vater hatte einen Laden mit Festartikeln. Dieser Junge hatte ein echtes jüdisches Äußerliches. Er hatte eine schlechte Nachbarschaft dort wo er wohnte, er wurde in der Nachbarschaft belästigt. Auf der Schule, in der Klasse gab es keine Probleme. Es entstand nur Spannung, wenn im Geschichtsunterricht beispielsweise zur Sprache kam, dass Juden nicht gewünscht waren. In solchen Momenten reagierte er rebellisch und dann stoppte das Gespräch. Wir Jungens von 14 Jahren wussten auch nicht was wir damit tun mussten.

Zu einem gewissen Moment trug er einen Stern und ab diesem Moment musste er in der Klasse apart sitzen. Aber das ging nicht, darum hatte er einfach einen Platz in einer Bank. Die Deutschen kontrollierten das zu diesem Zeitpunkt auch nicht. Irgendwann war er verschwunden. Wir vermissten ihn und niemand wusste was mit ihm geschehen war. Den einen Tag war er auf der Schule, am anderen Tag war ihr Haus leer. Erst nach dem Krieg ist uns deutlich geworden, dass die Familie nach Westerbork gebracht wurde und von dort nach Sachsenhausen geschickt wurde. Er ist nicht zurückgekommen.

 

Vonkeman, Johan, geboren in 1927 erzählt eine Geschichte:

Schau, eh, Gefangenentransporte hatte man auf viele verschiedene Arten. Man hatte Transporte von Gefangenen die vom Lager geholt wurden, auf den Zug gesetzt und nach Deutschland transportiert wurden, hoppla weg. Aber was geschah damit? Man hatte auch andere Gefangenentransporte, 43, das waren Kriegsgefangene die aufgerufen wurden. Aber es gab auch Soldaten, Offiziere die freigelassen wurden und die haben sie 42, 43 aufgerufen, die Deutschen. Als Kriegsgefangene. Und die wurden in der Bernhardkaserne untergebracht. Und nicht zu den Kleinen auf den Transport nach Deutschland gesetzt, da war ich dabei. Das war ein ganz anderer Transport. Das waren vierzig Mann zusammen, pro Mal dann, die nach Deutschland transportiert wurden. Schau, es ist so, dass zu einem gewissen Zeitpunkt durch die Spannungen die in den Niederlanden zunahmen, dass die Deutschen zur Schlussfolgerung kamen wir müssen die Menschen, die Leitung geben können, packen. Und die wurden dann aufgerufen und interniert, Offiziere und die haben sie auch nach Deutschland transportiert und hier in Amersfoort wurden sie hinten auf den Zug geladen, um 11 Uhr morgens, drei Waggons und dahinter war ein Waggon mit Deutschen. Und der Zug war an normalen Fahrplan gebunden, der ging nach Hengelo, von Hengelo aus, wurde er nach Oldenzaal gefahren und folglich nach Deutschland. Zu einem gewissen Zeitpunkt war auch das Rote Kreuz dabei betroffen. Und die Jungs bekamen Blechgeschirr mit Lebensmitteln mit. Und das Blechgeschirr das musste zurück. Und dann kamen sie zu mir, das Rote Kreuz Hermandad, und dann ging ich morgens zum Bahnhof und dort wurde ich von Leuten vom Roten Kreuz aufgefangen und zum Zug gebracht, dann bekam ich einen Platz bei Deutschen im Waggon und es wurde genau erzählt, das und das Blechgeschirr ist es, die und die Papiere hast du und in Hengelo das Blechgeschirr nach draußen und dann zurückgebracht nach Amersfoort. So bin ich verschiedene Male mitgereist und z.B. in Apeldoorn, als der Zug dann stoppte, sprangen die Moffen gleich heraus, die standen dann alle entlang dem Bahnsteig auf der anderen Seite, um abzuschirmen. Aber wir hatten keine Unfälle, nur in Hengelo blieb der Zug oft eine Weile stehen, denn dann wurde abgekoppelt und dann fuhr er weiter nach Enschede. Dort wurde er wieder an einen Zug nach Oldenzaal gekoppelt, einen deutschen Zug, und dann standen dort auch Leute, natürlich hinter dem Zaun, ja, Familie hé, und dann liefst du dort rum als junger Mann. Ja, du konntest nichts tun, nichts. Du konntest keinen Brief übergeben oder was auch immer, denn die Deutschen hatten das sofort zu packen. Ich musste dafür sorgen, dass die Sachen zurückkamen. Und einmal ist es insofern schiefgelaufen damals ging es in Hengelo falsch, damals gingen wir nach Oldenzaal, damals bin ich dabei gewesen nach Oldenzaal, da habe ich bei der Zugführung Himmel und Erde bewegt, als sechzehnjähriger Knabe, dass der Zug halten muss, und dass das Blechgeschirr raus musste. Nun, das war eine ziemliche Sache, aber sie sind herausgekommen, und sie sind zurückgekommen.

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