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Raddatz, Mathilde

BIOGRAFIE

Ich bin Mathilde Raddatz und meine Zwillingschwester und ich wurden im Juli 1933 in Ohrbeck geboren. Es war das Jahr nach der Machtübernahme, sowie das immer gesagt wird. Im kleinen Ohrbeck, einem Teil von Hasbergen, drehte sich alles um die Kirche und das Kloster, unsere Welt war recht klein. Was politisch geschah interessierte nicht viele Leute.

Das Leben ging durch. Wir gingen zur Schule, und ich erinnere mich an den Schulleiter, der Erdkunde gab, in einer Stunde über die glorreichen Siege von Hitler sprach und wie stolz er auf seine vier Söhne war, die im Krieg kämpften. Dann holte er eine Karte heraus, auf der er zeigte, wie weit Deutschland schon gekommen war und was schon erobert wurde. Das sagte uns nichts, wir waren gerade in der ersten oder zweiten Klasse.

Wir wohnten gleich neben dem Kloster Ohrbeck und der Pastor kam oft zu uns. Er sprach dann mit meiner Mutter über den Krieg, über Hitler und wie schlimm alles war. Meine Mutter hat viel auf Hitler geschimpft. Wenn sie sie einmal gehört hätten, hätten sie sie hingerichtet. Später wurde das Kloster vom Militär beschlagnahmt und die Mönche mussten es verlassen.

Meine Eltern fanden das schrecklich. Sie fühlten sich so machtlos, konnten nichts tun. Man darf auch nicht vergessen, dass die Katholiken damals sehr gesetzestreu und gehorsam waren, Widerstand und Unruhen lagen ihnen nicht.

Im Grunde genommen wollten alle in Frieden zusammen leben und der Größenwahn von Hitler passte nicht dazu. Niemand wollte die Wahrheit wissen. Die meisten Leute fingen erst an zu jammern, als Berichte über Gefallene kamen, als ihre Kinder eingezogen wurden und die Männer weg waren. Damals wurde deutlich, dass sie einen hohen Preis bezahlen mussten! Vor der Zeit … ach, da war alles gut und lauschten die Leute nach den Berichten über neue Eroberungen und darüber wie es dem deutschen Volk ging.

Außerdem, wer jetzt Hitlers Reden hört, hört, dass er es sehr früh über die Juden hatte; das wurde damals überhaupt nicht gehört. So wie viele Menschen aus Hasbergen nie die Gefangenen von Augustaschacht gesehen haben. Die hatten keine Ahnung was da los war, denn der Weg über den die Gefangenen vom und zum Straflager schlürften lief durch Ohrbeck und nicht durch das Dorf. Aber in unserer Nachbarschaft, waren wir empört und angewidert von dem, was wir gesehen haben, und dass so etwas ungestraft geschehen könnte.  Das weiß ich noch sehr gut.

 

Fotos – von oben nach unten: Mathilde rechts mit Vater, Schwester und Bruder  – Mathilde links – Mathilde rechts

Raddatz, Mathilde, geboren in 1933 erzählt eine Geschichte:

Es wurde nie darüber gesprochen wie schrecklich der Krieg war. Das wurde wirklich erst mit der Wehrmachtsausstellung deutlich (Red: Die bahnbrechende Ausstellung der 90er Jahre mit Fotos die  Soldaten im Zweiten Weltkrieg gemacht hatten).  Es wurde immer gesagt: Wir sind ein Volk, eine Welt, wir müssen unser Land vergrößern, wir müssen gewinnen. Renten wurden aufgebaut, die Arbeitslosen waren von der Straße, es musste Platz kommen damit wir uns entwickeln und wachsen konnten. So wurde immer gesprochen. Was das bedeutete für die Leute die in einem Krieg mitgerissen wurden, darüber sprach niemand.

Raddatz, Mathilde, geboren in 1933 erzählt eine Geschichte:

Wir wahren gewohnt dass immer geschlossene Viehwagons hin und her fuhren zwischen Augustaschacht  und Georgsmarienhütte und da sind die Arbeiter drin die zu den Klöcknerwerke fuhren, und dann habe ich mir immer vorgestellt dass sie bei den Klöcknerwerke arbeiteten und dann habe ich weiter mal , wer es machte weiß ich nicht, die Türe wurden auf einmal weit aufgemacht und dann standen diese Männer da, es hat sich Keiner bewegt, keiner hat ein Fluchtversuch gemacht, es hat keiner sein Gesicht verzogen, es war eine einzige starre Maske mit völliger verzweifelte Gesichtsausdruck, den ich da wahrnahm. Ich stand da als Kind und ich war total erschreckt und wenn ich die Bilder jetzt sehe dann sage ich ja so sahen die aus. Und jetzt heute Morgen noch war ich da in der Nähe, ja das Geräusch vom Zug das vergesse ich nicht das ist immer noch drin.

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